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Feinjustierung in der Klimapolitik

Am 24. Juni 2024 fanden die 12. Generalversammlung und der traditionelle Sommeranlass der Konferenz der Gebäudetechnikverbände KGTV im FHNW Campus in Brugg-Windisch statt. Nach den statutarischen Geschäften beschäftigten sich die Anwesenden mit der Europäischen Gebäuderichtlinie EPBD, den Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU über ein Stromabkommen und mit der Elektrifizierung von Firmenfahrzeugflotten.

In ihrer Begrüssung zeigte sich KGTV-Präsidentin und Nationalrätin Franziska Ryser glücklich darüber, dass die Themen Energie, Klima und Fachkräftemangel auf grosse Resonanz in der Politik und der Bevölkerung stossen. Die Annahme des Klimagesetzes und des Stromgesetzes sowie die gemeinsame Imagekampagne der Bauverbände und energieschweiz zeigen, dass der nötige Schub für Veränderungen wie bei einer Schlittenfahrt erreicht wurde. Wie dort sind jetzt aber einige Justierungen nötig, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Dabei seien insbesondere die Bauherrschaften und die Regulatorinnen und Regulatoren gefordert. Den KGTV-Verbänden kämeeine zentrale Rolle zu: Sie vereinen auf sich das gesamte Fachwissen der Gebäudetechnikbranche und dienen so als wertvolle Partner bei der Feinjustierung der Klima- und Energiepolitik.

In ihrem Präsidialbericht begrüsste Ryser, dass die KGTV im letzten Jahr ihre Haltung konsolidieren und damit die Abstimmung zum Klima- und Innovationsgesetz KlG unterstützen konnte. Dazu beigetragen habe auch der Austausch mit dem BAFU im Rahmen der Herbstplenarversammlung im Bundeshaus: Aufgrund der dortigen Inputs konnte die KGTV eine Stellungnahme zu den Ausführungsbestimmungen des Gesetzes verabschieden und so die Anliegen der Gebäudetechnikbranche in die Diskussionen einbringen. Im Parlament konnte die KGTV an einer Interpellation zum Thema Sonnenschutz mitarbeiten. Ebenfalls einen wichtigen Beitrag leistete die KGTV durch ihre Kooperation mit energieschweiz und bauenschweiz, die eine Kampagne zur Verbesserung des Images der Baubranche ins Leben gerufen haben, die dazu dienen soll, den Fachkräftemangel im Baubereich zu reduzieren, um die klima- und energiepolitischen Ziele im Gebäudebereich zu erreichen. Weiter liess sich die KGTV 2023 über die laufende MuKEn-Revision und den Zustand des Schweizer Immobilienmarkts informieren. An der Herbstplenarversammlung wurde neben dem KlG auch das Thema Kreislaufwirtschaft beleuchtet. 2023 ist der Kaminfegerverband aus der KGTV ausgetreten. Gleichzeitig konnte mit Swissesco ein neues Mitglied gewonnen werden. Der Mitgliederbestand per Ende 2023 lag damit bei 33 Verbänden.

Veränderungen im Vorstand

Jahresrechnung 2023 und Budget 2024 gaben nur wenig zu reden: 2023 konnte die KGTV einen kleinen Gewinn erzielen. Dieser wird 2024 u.a. für die Erstellung einer neuen Webseite verwendet, welche insbesondere hinsichtlich Sicherheit und Service besser auf die Interessen des Verbands zugeschnitten ist. Einige Veränderungen gibt es im Vorstand: Nach fünf Jahren tritt Gian A. Bisatz als Vertreter von swissengineering aus dem Vorstand zurück. Als Nachfolger wählt die Generalversammlung einstimmig Philipp Grob von ennovatis Schweiz AG. Per Ende 2024 wird zudem Jürg Bichsel aus dem Vorstand zurücktreten, da Brenet seine Mitgliedschaft bei der KGTV beenden wird. Seine Nachfolge wurde noch nicht bestimmt. Unbestritten hingegen ist die Wiederwahl von Franziska Ryser als Präsidentin der KGTV. Spannende Diskussionen kamen während des Traktandums Varia auf: Neben einer Studie der Elcom zum Strombedarf von gebäudetechnischen Anlagen (namentlich Wärmepumpen und Kältesysteme) wurde auch die widersprüchliche Situation thematisiert, dass es trotz Fachkräftemangel zu Entlassungen und Kurzarbeit komme. Die Mitglieder sehen hier Raum für ein Argumentarium seitens KGTV, dass auch darauf zu sprechen kommt, dass der Fachkräftemangel durch hohe Qualifikationsanforderungen an und die übertriebene administrative Belastung der Berufsleute verursacht wird. Das Thema soll an einer kommenden Plenarversammlung aufgegriffen werden.

Europäische Gebäuderichtlinie EPBD

Nach einem gemeinsamen Mittagessen startete am Nachmittag der Sommeranlass der KGTV mit einem Referat Lukas Koller, Siemens, zur Europäischen Gebäuderichtlinie EPBD, die im Dezember 2021 angepasst wurde. Die Richtlinie soll alle Gebäude der EU an die Nachhaltigkeitsziele des European Green Deal anpassen, der Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent umformen soll, wobei Elektrifizierung und Digitalisierung als Königsweg gelten. Bis 2050 soll damit auch der Gebäudebestand emissionsfrei werden. Ein Nullemissionsgebäude im Verständnis der EPBD erzeugt vor Ort kein CO2 und verfügt über einen reaktiven Energieverbrauch. Die EPBD zielt in einem ersten Schritt auf Nichtwohnungsbauten, dann auf Neubauten und in einem letzten Schritt auf Bestandesbauten, wobei hier diverse Vorgaben für Renovationen ausgearbeitet wurden. Die Bestimmungen für öffentliche Gebäude sind deutlich strenger als für Gebäude im Privatbesitz. Die EPBD regelt darüber hinaus die Inspektion der Gebäude und den Datenzugriff der Eigentümerinnen und Eigentümer. Europäische Richtlinien sind nicht unmittelbar anwendbar und müssen deshalb durch nationale Gesetze umgesetzt werden. Die EPBD fordert von den nationalen Gesetzen insbesondere einen Gebäuderenovierungsplan, einen Renovierungspass, die Intelligenzfähigkeit der Gebäude und Anreize zur Verwendung von emissionsfreier Gebäudetechnik. Besonders grosse Bedeutung wird den dezentralen Energieressourcen beigemessen. Für Gebäude bedeutet dies, dass sie mit der nötigen Infrastruktur für Elektromobilität und Photovoltaikanlagen ausgerüstet werden sollen. Neben der EPBD werden durch den Green Deal auch andere, bestehende Regulierungen der EU immer bedeutsamer, namentlich die Energieeffizienzrichtlinie EED, die Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe AFIR, das Emissionshandelssystem ETS, das Energiemarktdesign EMD und die Richtlinie für erneuerbare Energien RED. Alle der genannten Regulierungen wurden in der Legislatur 2023/24 erlassen und müssen noch national umgesetzt werden

Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU 

Für Christian Bühlmann, stellvertretender Leiter Internationales beim Bundesamt für Energie, liefert die sehr umfangreiche EPBD wichtige Inputs für die Schweizer Gebäudepolitik. Wie in der EU sollen die CO2- Emissionen in der Schweiz bis 2050 auf Netto-Null fallen. Der Gebäudepark soll bis dann einen Energieverbrauch von 65 TWh aufweisen. Dazu muss insbesondere die energetische Optimierung obligatorisch werden. Anders als die EU setzt die Schweiz dazu traditionell auf Freiwilligkeit und ökonomische Anreize. Die Kompetenz im Gebäudebereich liegt am Ende ausserdem bei den Kantonen. Die EPBD hat damit keine unmittelbare Wirkung, kann aber zumindest interessante Lösungen skizzieren. Als Botschaftsrat bei der Mission der Schweiz bei der EU kam Bühlmann auch auf den Zwischenstand der Verhandlungen über ein Stromabkommen zu sprechen. Ziel der Schweiz ist es, einen Zugang zum Strombinnenmarkt zu erhalten, in den Stromhandel integriert zu werden und ein Mitspracherecht bei den Organen der Versorgungssicherheit zu erhalten. Die EU fordert im Gegenzug eine Verpflichtung zur dynamischen Rechtsübernahme. Ausserdem ist für sie die vollständige Strommarktöffnung zwingend. Ohne ein Stromabkommen sieht Bühlmann die Versorgungssicherheit bedroht, da die Schweiz nur noch bedingt an den Märkten teilnehmen kann und für Swissgrid hohe Kosten entstehen. Im Moment finden monatlich Verhandlungen mit der EU-Kommission statt. Bis Ende 2024 sollen sie abgeschlossen sein.

Flottenelektrifizierung

Der zweite Block des Sommeranlasses widmete sich der Flottenelektrifizierung. Matthias Gubler, Verantwortlicher für das Fleetmanagement der Burkhalter Group, erklärte, wie das Unternehmen sein Ziel, 50 Prozent der Projektleitendenfahrzeuge zu elektrifizieren, erreichen will. Insgesamt verfügt die Gruppe über 2410 Fahrzeuge, davon 604 für Kader, wovon bis Ende Jahr 310 vollelektrisch betrieben werden sollen. Gerade bei Service- und Montagefahrzeugen sei eine Elektrifizierung sehr schwierig. Einerseits seien die Kosten für ein Elektrofahrzeug im vergleich zu Verbrennerfahrzeugen sehr hoch und andererseits sind die Spezifikationen hinsichtlich Nutz- und Zuglast bei den Verbrennerfahrzeugen deutlich besser. Auch die Reichweite stellt ein grosses Problem dar. Hinzu kämn die hohen Kosten für die Ladeinfrastruktur, die schwankenden Preise an den Ladestationen mit bis zu 250% Preisunterschied zwischen den Anbietenden und die fehlenden Fördermassnahmen seitens Politik, wie Subventionen und Steuererleichterungen. Besonders schwierig stellen sich die Steuerabzüge für Ladespesen, die teilweise pauschal abgerechnet werden, und die Berechnung des Lohnanteils für die Privatnutzung des Fahrzeugs dar. Beides halte Servicetechnikerinnen und -techniker davon ab, sich für ein Elektrofahrzeug zu entscheiden. Wenn all diese Herausforderungen bewältigt werden können, stehe dem Erfolg der Elektromobilität nichts entgegen.

Elektromobilitätsmarkt auf Kurs 

Hier griff Daniel Schaller, Fachspezialist für Energieeffizienten Verkehr beim Bundesamt für Energie, den Faden auf. Trotz der schwachen Entwicklung in Deutschland sei der Elektromobilitätsmarkt auf Kurs, aber es ist noch einiges an Effort nötig, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Der Anteil an elektrischen Fahrzeugen an den Neuzulassungen in der Schweiz 2024 ist im Vergleich zum Vorjahr nicht mehr gestiegen, liegt aber weiterhin bei einem Drittel. Von den 4,8 Mio. Personenwagen in der Schweiz sind 200'000 elektrisch. Und auch die Industrie habe sich grossmehrheitlich für die Elektromobilität als Antriebstechnologie der Zukunft entschieden. 

Schaller stimmte Matthias Gublers Kritik über die komplizierten Ladesysteme zu. Zwar verfüge die Schweiz über ein dichtes System an Ladepunkten, die Vielzahl an Apps und Abos sei aber wenig kundenfreundlich. Grund dafür ist, dass in der Schweiz die Heimladung als die zentrale Lademethode akzeptiert wird, die Ladung über öffentliche Ladepunkte hingegen nur ergänzend genutzt werden soll. In der EU wurde im Rahmen der AFIR eine Pflicht für die Installation von Kredit- und Debitterminals geschaffen. Die Situation in der Schweiz werde sich gemäss Schaller künftig verändern: Durch das Klima- und Innovationsgesetz können Ladeinfrastrukturen bei Unternehmen gefördert werden. Mit den strengeren Zielwerten für den CO2-Ausstoss bei Autoimporten dürften die Preise von Elektrofahrzeugen gegenüber Verbrennern weiter sinken. Zudem sind sie bis 2030 von der Mineralölsteuer befreit. Wie die Steuerschuld ab 2031 errechnet wird, ist indes noch nicht bekannt. Ein Förderprogramm für Ladestationen in Mehrparteiengebäuden auf Bundesebene wurde hingegen leider gestrichen. Die Kantone und Kommunen sind hingegen frei, eigene Fördermassnahmen einzuführen

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