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Klimadebatte und Gesundheitskrise im Fokus

Die Auswirkungen der Pandemiebekämpfung auf den Geschäftsgang der Gebäudetechnikfirmen und die politische Debatte zur Revision des CO2- Gesetzes standen im Zentrum der Herbstplenarversammlung der Konferenz der Gebäudetechnik-Verbände (KGTV). Die im Vorfeld durchgeführte Mitgliederbefragung ergab ein vielfältiges Bild: Während die Geschäftsentwicklung mehrheitlich positiv bewertet wird, macht man sich gefasst auf zunehmende Planungsunsicherheiten wegen Investitionsstaus im Bausektor und in der Industrie sowie Projektverzögerungen im öffentlichen Sektor. 

«Das Geschäftsjahr 2020 und seine speziellen Herausforderungen» – so lautete das Leitthema der Plenarversammlung der KGTV vom 5. November 2020, die aufgrund der angespannten Gesundheitslage erstmals überhaupt per Videokonferenz stattfand. Die von Präsident Jürg Grossen (Nationalrat GLP) telematisch geleitete Veranstaltung bot den Mitgliedern die Gelegenheit, sich über die gegenwärtige Situation auszutauschen. Grundlage der Diskussion bildete eine Mitgliederumfrage mit Fragen zur Entwicklung des Geschäftsjahres, der Geschäftsaktivitäten, den Meilensteinen und Herausforderungen, aber auch zu den positiven Aspekten der Viruspandemie. 

Ohne Innovation keine Zukunft 

Jürg Bichsel, Präsident des KGTV-Mitglieds Building and Renewable Energies Network of Technology (brenet), ein Zusammenschluss aus 13 Instituten universitärer Hochschulen und Fachhochschulen sowie privater Organisationen, rief die Mitgliederverbände dazu auf, die Industrie als Partnerin für die angewandte Forschung zurückzugewinnen: «Denn ohne Innovation gibt es auch für unsere Branche keine Zukunft», so seine Warnung. Brenet könne der Industrie passgenau Angebote machen, «wenn es darum geht, praxisnahe Forschung und Entwicklung» zu betreiben. Die Fachhochschulen seien praxisorientiert und könnten Projekte sehr rasch umsetzen. Besorgt zeigte sich Bichsel über die allgemeine Zurückhaltung bei den Weiterbildungsangeboten. Die Umstellung auf Fernunterricht sieht er kritisch, ginge dadurch doch etwa ein Drittel der Bildungsinhalte verloren. 

Dass öffentliche Bauherren bereits geplante Projekte wegen pandemiebedingten Budgetkürzungen in Gemeinden und Kantonen aufschieben oder abbrechen, befürchtet Laurens Abu-Talib, Leiter Politik beim KGTV-Mitglied Usic. Um eine solche Situation abzuwenden, hat die Schweizerische Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmungen die Plattform www.ingenieur-pool.ch aufgeschaltet, bei der öffentliche Auftraggeber mit knappen Personalressourcen Unterstützung bei bestehenden oder neuen Bauprojekten anfordern können. Auch Usic hat unter seinen Mitgliedsunternehmungen jeweils Anfang und Ende April eine Umfrage durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass es bei vielen Projekten wegen Unterbrechung der Bautätigkeit oder Schliessung von Baustellen zu Zeitverzögerungen gekommen ist. Ausserdem ging aus der Umfrage hervor, dass der Kurzarbeitsanteil an der Lohnsumme rund 30 Prozent betrug und dass nur etwa zehn Prozent der Mitgliederfirmen präventiv Überbrückungskredite beantragt haben. Zu Liquiditätsengpässen sei es aber zu keiner Zeit gekommen, bekräftigte Abu-Talib. 

Shutdowns gefährden Planungssicherheit 

Im Angesicht der guten Baukonjunktur spüre man keine Ängste, hielt seinerseits Michael De Martin fest, Präsident von Die Planer (ehemals SWKI), der in Vertretung von Marco Waldhauser auch im Namen der SIA Berufsgruppe Technik (SIA BGT) sprach. Im Hinblick auf die kommenden Monate könnten jedoch regionale Shutdowns zu Planungsunsicherheiten führen, warnte er. Unter den rund 800 Mitgliedern der SIA BGT stünden derzeit insbesondere zwei Herausforderungen im Vordergrund: die zunehmende Transparenz und die Honorarentwicklung im Zuge der Einführung digitaler Arbeitsinstrumente. Allgemein stellte De Martin fest, dass der Themenkreis Energie in der Ingenieurs- und Architektenausbildung zwar an Bedeutung gewonnen habe, in der Praxis aber aufgrund fehlenden Veränderungsdrucks seitens des Gesetzgebers oft noch zu wenig Berücksichtigung finde. 

Gestiegene Bedeutung der Raumluft 

Gleich mehrere KGTV-Mitgliederdelegierte bestätigten die allgemein gestiegene Bedeutung der Raumluft. ProKlima beispielsweise stellt eine erhöhte Nachfrage nach Elektrofiltern, mobilen Luftreinigern, UVC-Strahlern zur Entkeimung, aber auch nach Zusatzaufträgen für Filter von Beatmungsgeräten fest, wie Präsident Jürg Grossen in Abwesenheit der Vertretern der Hersteller- und Lieferantenplattform von Klima- und Lüftungsprodukten zusammenfasste. Auch Martin Bänninger, KGTV-Vorstandsmitglied und Geschäftsführer des Schweizerischen Vereins Luft- und Wasserhygiene (SVLW), bestätigte die Tatsache, dass das Thema Lufthygiene in der Öffentlichkeit bewusster wahrgenommen wird. Allerdings bemängelte er, dass die Debatte meist sehr emotional und nicht besonders seriös geführt werde. Ausserdem sei die Branche durch einen Beitrag im Schweizer Fernsehen aufgeschreckt worden. Im «Kassensturz» hiess es, dass Umluftkühlgeräte «Virusschleudern» seien. Dem hielt Bänninger mit dem Hinweis entgegen, dass solche Geräte nicht in erster Linie für Frischluft sorgten, weshalb Gerätenutzer zusätzlich lüften und allenfalls eine Aufrüstung mit Filtern oder UVC-Strahlern in Betracht ziehen müssten. Der SVLW hat zum Thema Durchlüften ein eigenes Merkblatt zu Verhaltensregeln in Innenräumen erstellt. 

Pandemie beschleunigt digitale Transformation 

Beinahe alle an der Plenarversammlung anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der KGTV-Mitglieder haben in den letzten Monaten die Feststellung gemacht, dass sich der digitale Transformationsprozess nach Ausbruch der Epidemie beschleunigt hat. So auch Vorstandsmitglied Andrea Baumgartner, Vertreterin des Berufsverbands IFMA Schweiz. Überrascht hat Baumgartner, dass es in der Branche kaum zu Jobverlusten gekommen sei und dass die Aufträge sich zwar verlagert, aber nur geringfügig abgenommen hätten. Organisatorisch habe man Vorkehrungen gegen die Ansteckungsgefahr getroffen. So habe man etwa beim Universitätsspital Zürich nur noch die Haupteingänge für Patienten und Besucher geöffnet und die Kontrolle zur Einhaltung der Hygieneregeln verschärft. Kritisch betrachtet Baumgartner dagegen das Homeoffice, weil es die Zusammenarbeit eher erschwert habe. Auch die Situation in der Gastronomie sei wegen der Abstandsregeln bei engen Platzverhältnissen ziemlich herausfordernd. 

Gute Stimmung im Wärmepumpenmarkt 

Ein grosses Ausrufezeichen zur Marktsituation setzte am Ende der Austauschrunde zu den Branchenherausforderungen der stellvertretende KGTV-Präsident Stephan Peterhans, Geschäftsführer der Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz (FWS). So konnte er berichten, dass unter den FWS-Mitgliedern die Planer und Installateure gut ausgelastet seien, die Bohrfirmen einen Arbeitsvorrat von vier Monaten hätten und die hiesigen Hersteller und Lieferanten nach den ersten drei Quartalen bei den Geschäftszahlen 20 Prozent über dem Vorjahr lägen. Die guten Zahlen begründete er mit dem wachsenden Bewusstsein der Bevölkerung für ein zukunftsfähiges Klima und ergänzte: «Viele Bauherren investieren lieber in ihre Immobilien, statt das Geld auf die Bank zu bringen.» Schliesslich orientierte Peterhans die Videokonferenzteilnehmenden über die laufenden Projekte der FWS, wie die bevorstehende Gründung eines «Wärmepumpen-Clubs», das fortschreitende Interesse am Wärmepumpen-Systemmodul, das von 24 Kantonen gefördert wird, oder «WP2030», ein Projekt zur laufenden Betriebsoptimierung von Gesamtenergiesystemen. 

In Bezug auf die Aus- und Weiterbildungsaktivitäten der FWS sagte Peterhans, dass man schon im März 2020 auf digitale Veranstaltungen umgestellt habe. Die Erfahrungen seien sehr gut. Ausserdem habe die FWS am 3. November 2020 das erste Digitale FWS-Forum Wärmepumpe eingeführt, eine Art digitale Expo mit drei Fachreferaten und einer Podiumsdiskussion, an der rund 200 Interessierte teilgenommen hätten. Zum Schluss bezog sich Peterhans in einem kurzen Statement auf die politische Lobbyarbeit, für die er unter den Konferenzteilnehmenden warb. Als Beispiel nannte er einen Parlamentarieranlass zum Thema «Tageslicht». Ausserdem nahm er Bezug auf die Wirkung des revidierten Energie-Gesetzes (EnG) und der Energie-Verordnung. So habe das Bundesamt für Energie, gestützt auf Artikel 47 des EnG, am 16. Januar 2020 die Kampagne «Erneuerbar Heizen» im Rahmen des Programms EnergieSchweiz lanciert. «Politische Arbeit braucht Beharrlichkeit, bis sie wirkt», so seine Schlussfolgerung. 

Vermögensverwalter investiert in Sanierungen 

Hauptgastrednerin an der diesjährigen Plenarversammlung war Valeria Bianco, Nachhaltigkeitsverantwortliche des Vermögensverwalters AXA Investment Managers Schweiz AG – Real Assets, eine Tochtergesellschaft der AXA-Gruppe. Die Gesellschaft investiert ein Vermögen von 15,5 Milliarden Franken in direkte Immobilienanlagen. Das Nutzungsportfolio umfasst etwa je zur Hälfte Wohn- und kommerzielle Bauten, darunter Büro-, Verwaltungs-, Gewerbe- und Industriegebäude. Im Juni 2020 waren es insgesamt 702 Liegenschaften. Die Gesellschaft ist Teil der «Net-Zero Asset Owner Alliance», ein Zusammenschluss grosser Finanzmarktplayer, die sich dem Netto-Null-Ziel 2050 verschrieben haben. Der gesamte Schweizer Gebäudepark verantwortet zum gegenwärtigen Zeitpunkt etwa ein Viertel der nationalen CO2-Emissionen. Um die ambitionierten Reduktionsziele zu erreichen, müsse man den Ausstoss «etwa neunmal schneller reduzieren als bisher», betonte Bianco. 

Die AXA-Tochtergesellschaft hat vor zehn Jahren interne Richtlinien aufgestellt, wonach fossile Heizungen «nur noch durch erneuerbare ersetzt werden dürfen». Einzig wenn es zu bestehenden Gasheizungen keine Alternativen gebe, wie etwa in städtischen Zentren, wo Fernwärmesysteme nicht verfügbar oder andere Alternativen nur schwer umsetzbar seien, würde eine Ausnahme von dieser Regel gemacht, versicherte Bianco. Der Anteil der Erneuerbaren bei den Energieträgern liegt inzwischen bei 39 Prozent, wobei vor allem die Fernwärme ihren Beitrag dazu leistet. Seit 2018 treibt der Vermögensverwalter zudem die Umsetzung von Zusammenschlüssen zum Eigenverbrauch (ZEV) voran, wovon im Portfolio bereits deren elf stehen. «Hier möchten wir vorwärts machen, um auch die restlichen bestehenden Dachflächen mit Photovoltaikanlagen auszurüsten», so Bianco. Auch steht ein Sanierungszyklus bei Gebäuden aus den Jahren 1950 bis 1980 an. Die Nachhaltigkeitsverantwortliche hofft, dass mit Sanierungsmassnahmen jährlich 7000 Tonnen CO2 eingespart werden können. Eine zentrale Rolle bei der Optimierung der Energieeffizienz spielt dabei die Datenerfassung. So werden derzeit bei 240 Gewerbe- und gemischten Liegenschaften automatische Echtzeitdaten und bei 250 Wohnliegenschaften wöchentliche Daten zum Wärme-, Strom- und Wasserverbrauch erhoben. 

Totalrevision des CO2-Gesetzes 

Jürg Grossen pries die Nachhaltigkeitsinitiative von AXA als «vorbildlich». Bereits vor der Intervention der Gastrednerin hatte der KGTV-Präsident die Teilnehmenden der Onlinekonferenz über die Neuerungen und Chancen des totalrevidierten CO2-Gesetzes informiert, wie es das eidgenössische Parlament in der Schlussabstimmung vom 23. September gutgeheissen hat. Das neue Gesetz wird wohl frühestens Anfang 2022 in Kraft treten. Grossen ging unter anderem auf die Flugticketabgabe, die Abgaben auf Brennstoffe und den Benzinpreisaufschlag ein. In Bezug auf den Beitrag der Gebäude an den Emissionsreduktionszielen verwies Grossen auf den ab 2023 geltenden Richtwert von maximal 20 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter Energiebezugsfläche für Heizungssanierungen bei Bestandsbauten. Danach sieht der Absenkpfad vor, dass die Grenzwerte alle fünf Jahre bis 2038 jeweils um weitere fünf Kilogramm sinken. Zum Vergleich: Altbauten mit Baujahr vor 1970 emittieren heute bei der Wärmeerzeugung im Jahresschnitt 60 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter Fläche. 

Pro-Kampagne wird kein Selbstläufer 

Grossen zeigte sich von der Wirksamkeit der vom Parlament beschlossenen Instrumente und Massnahmen überzeugt. Weil sicher sei, dass gegen das Gesetz erfolgreich ein Referendum zustande komme, warb Grossen für ein klares Ja-Votum zur Vorlage. Wie der aktuelle Stand im Vorfeld der Abstimmungskampagne ist, beantwortete an der Plenarversammlung Stefan Batzli, Verwaltungsratspräsident der CR Kommunikation AG aus Zürich. Die Agentur leitet die Abstimmungskampagne für das Befürworter-Komitee aus der Wirtschaft. 

Batzli geht von einer «Abstimmungsschlacht» aus. Für ihn ist klar, dass die ProKampagne keineswegs ein Selbstläufer wird. Über die Vorlage werden die Schweizer Stimmbürgerinnen und –bürger frühestens Mitte 2021 befinden. Hauptgegner des Gesetzes sind die Erdölwirtschaft, das Autogewerbe und die Schweizerische Volkspartei (SVP). Batzli ist überzeugt, dass es einen «Rieseneinsatz» von allen benötigen wird, um das Gesetz durchzubringen. Die Organisatoren der Pro-Kampagne sind daran, das Komitee «Schweizer Wirtschaft für das CO2-Gesetz» (www.co2-gesetz-jetzt.ch) zu organisieren. «Derzeit laufen Gespräche, die über die klassischen Verbündeten aus der Energie- und Bauwirtschaft hinausreichen. So sprechen wir beispielsweise mit der Finanz- und Versicherungswirtschaft», präzisierte Batzli. «Unser Ziel ist es, bis Ende Jahr ein Komitee mit 200 Mitgliedern aus Verbänden und Unternehmungen auf die Beine zu stellen.» 

Nach dem Einblick in die Kampagnenarbeit im Kampf um das neue CO2-Gesetz schloss KGTV-Präsident Jürg Grossen die Online-Plenarversammlung mit einem Dank an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und dem Hinweis auf die nächsten Termine. Die Generalversammlung ist für den 23. April 2021 anberaumt und die nächste Herbstplenarversammlung – ob als Präsenz- oder Digitalveranstaltung – wird am 10. November 2021 stattfinden.