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Für mehr Nachhaltigkeit im Beschaffungswesen

Die diesjährige Herbstplenarversammlung der Konferenz der Gebäudetechnik-Verbände (KGTV) in Bern widmete sich dem Thema Vergaberecht. Zwei Referenten beleuchteten die Entstehungsgeschichte der Reform des schweizerischen Beschaffungsrechts aus rechtlicher und politikwissenschaftlicher Sicht. Ein weiterer Gastredner befasste sich mit der Praxis des Submissionswesens. Fazit der Versammlung: Die gesetzlichen Grundlagen für ein nachhaltigeres Beschaffungswesen sind gegeben. Nun geht es darum, die Vergabekultur dem Geist des neuen Gesetzes anzupassen. 

Die Konferenz der Gebäudetechnik-Verbände (KGTV) hielt ihre traditionelle Herbstplenarversammlung am 10. November 2021 am Hauptsitz des Energie- und Infrastrukturkonzerns BKW in Bern ab. Nachdem die letztjährige Veranstaltung wegen der Pandemie virtuell stattfand, fanden sich die Geladenen diesmal wieder vor Ort ein. Mit dem öffentlichen Beschaffungswesen wurde ein aktuelles Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Am 1. Januar 2021 war nach einem beinahe ein Jahrzehnt andauernden Reformprozess das neue Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB, verabschiedet am 21. Juni 2019) in Kraft getreten. «40 Milliarden Franken – so viel gibt der Bund jedes Jahr aus, um Güter einzukaufen; seien dies IT-Produkte für die Verwaltung, Textilien fürs Militär oder Lebensmittel für die Personalrestaurants oder für den Betrieb von Gebäuden wie Schulhäuser, Polizeiinfrastrukturen oder Spitäler. In diesem Sinne ist die öffentliche Hand eine Grosskonsumentin. Damit kommt ihr eine grosse Marktmacht und Verantwortung zu, etwa im Umgang mit Steuergeldern, aber auch im ökologisch-sozialen Sinn.» Mit diesen Worten eröffnete KGTV-Präsidentin Franziska Ryser (Nationalrätin, Grüne) die Tagungsveranstaltung. 

Mit der Revision des BöB sei ein Paradigmenwechsel vollzogen worden, weg vom günstigsten Angebot, hin zum Angebot, das den nachhaltigsten Einsatz der öffentlichen Mittel garantiere, so Ryser. Auf diese Weise sei es gelungen, die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 im Beschaffungswesen zu verankern. «Seither ist es möglich, dass bei Ausschreibungen ökologische Kriterien stärker berücksichtigt werden, etwa wenn die Produkte mit kürzeren Transportwegen geliefert werden oder eine zwar teurere, dafür aber energieeffizientere Anlage eingebaut wird.» Mit der Revision sei die Arbeit jedoch noch nicht getan, mahnte die Präsidentin. Denn jetzt sei es an den Kantonen, ihre gesetzlichen Grundlagen an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Interkantonale Vereinbarung im öffentlichen Beschaffungswesen (IVöB, verabschiedet am 15. November 2019) trat im Juli dieses Jahres in Kraft. Bis zum heutigen Tag sind ihr zwei Kantone (Aargau und Appenzell Innerrhoden) beigetreten. Zehn weitere Kantone befinden sich im Ratifizierungsprozess und im Kanton Bern wird die Vereinbarung am 1. Februar 2022 Rechtskraft erlangen. 

Rechtspolitische Dimensionen der Vergaberechtsharmonisierung 

Mit seinem Vortrag «Die Vergaberechtsreform aus rechtlicher Sicht» hielt Gastredner Marc Steiner, Richter am Bundesverwaltungsgericht (Abteilung II, St. Gallen), eine Rückschau auf die Entstehungsgeschichte des BöB. Dabei verzahnte er den innenpolitischen Reformprozess mit dem internationalen Kontext. Nach einem Hinweis auf die prominente verfassungsrechtliche Stellung des Begriffs «nachhaltige Entwicklung» (Art. 2 der Bundesverfassung) ging Steiner auf die weltanschaulichen Konzepte ein, welche die Regulierung des Beschaffungswesens aus geschichtlicher Perspektive prägten. Dafür hat der Jurist ein entwicklungshistorisches «Dreischichtenmodell» entworfen. 

Nachdem man die ersten beiden Schichten mit einem wenig dynamischen Binnenmarkt in den Achtzigerjahren (Schicht 1) und einer auf den Preiswettbewerb ausgerichteten Marktöffnung in den Neunzigerjahren (Schicht 2) hinter sich gelassen habe, sei man nun in der dritten Schicht angelangt, deren Regulierungsrahmen das Government Procurement Agreement der WTO (GPA 2012) und die Vergaberechtsreform der EU von 2014 (EURichtlinie 2014/24/EU, insbes. Erwägungsgründe 2 und 95) vorgezeichnet hätten. Ergebnis der Vergaberechtsrevision in der Schweiz seien das BöB und die IVöB als Bestandteile eines harmonisierten Vergaberechts zwischen Bund und Kantonen. Vor allem zwei Neuerungen haben es in sich: die Erwähnung der Nachhaltigkeit im Zweckartikel (BöB, Art. 2, Bst. a) sowie entscheidende Anpassungen bei den Zuschlagskriterien (Art. 41, Abs. 1: neu erhält das «vorteilhafteste» und nicht mehr das «wirtschaftlich günstigste» Angebot den Zuschlag). 

Die Gesetzesänderung habe man zu einem guten Teil der EU-Vergaberechtsreform sowie den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs zu verdanken, behauptete Steiner. Denn die EU-Reform habe letztlich den Wechsel von der Diktatur des niedrigsten Preises zum Qualitätswettbewerb vorgespurt. Nach einigen Ausführungen zu den innenpolitischen Debatten und Auseinandersetzungen auf dem Weg zur Vergaberechtsreform, strich Steiner die wichtigsten Neuerungen heraus und betonte noch einmal den Kern der Gesetzesreform, nämlich die Eingliederung der Anbieterperspektive in das Vergaberecht und damit die Priorisierung des Qualitäts- zulasten des Preiswettbewerbs. Zum Schluss verwies Richter Steiner für weitergehende Informationen auf das Faktenblatt «Neue Vergabekultur» (vom 25. September 2020) der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) und der Beschaffungskonferenz des Bundes (BKB). 

Erfolgreiches Lobbying im Bundeshaus 

Einblicke in den gesetzgeberischen Prozess der Beschaffungsrechtsharmonisierung aus einer politologischen Warte bot in einem zweiten Referat Laurens Abu-Talib, Leiter Politik bei der Schweizerischen Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmungen (Usic). AbuTalib ist Geschäftsführer der Allianz für ein fortschrittliches Beschaffungswesen (AföB), die sich im Zuge der Reform in den Gesetzgebungsprozess auf Bundesebene als Interessenverband einschaltete. Die Allianz ist ein Zusammenschluss aus Verbänden und Organisationen, deren Mitglieder intellektuelle Dienstleistungen an öffentliche Auftraggeber anbieten. Die Allianzträgerschaft vereint 24 Mitglieder- und drei Beobachterverbände aus dem Baunebengewerbe, der Kommunikation und der Medizinaldienstleistung, welche über 3600 Firmen- und mehr als 36 600 Einzelmitglieder vertreten. Darunter befinden sich auch zwei namhafte KGTV-Mitglieder wie die Usic und der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA). 

Während der Allianzbildung und der Erarbeitung eines Positionsbezugs stellte die AföB diverse Leitsätze auf, wie zum Beispiel ein höherer Schwellenwert, mehr Innovation, alternative Vergabemethoden oder die Nichtdiskriminierung intellektueller Dienstleistungen. Die wichtigsten Grundanliegen bilden der absolute Wille zur Harmonisierung sowie die Ausschaltung des reinen Preiswettbewerbs. «Mit diesen Grundanliegen hausierten wir bei den Verbänden und fragten sie, ob sie dafür oder dagegen seien. Die meisten waren dafür», rekapitulierte Abu-Talib. Der kritische Punkt beim Lobbying sei die Einflussnahme im Parlament auf Bundesebene gewesen. «Alles, was auf dieser Ebene beschlossen wurde, brachte die Kantone in Zugzwang», so Abu-Talib weiter. Im Rückblick bezeichnete der AföB-Geschäftsführer den Prozess als «einzigartig»: «Es gab meines Wissens noch nie eine solch starke Motivation zur Harmonisierung im schweizerischen Recht. Deshalb war der Prozess aus politikwissenschaftlicher Sicht sehr spannend.» 

Bei der Einflussnahme auf die Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier wählte die Allianz ein ausgeklügeltes Verfahren. So stellte sich nämlich heraus, dass eine zielgerichtete Präsentation und ein auf den Adressatenkreis zugeschnittenes Argumentarium vor der Erstberatung in der Kommission die grössten Erfolgsaussichten haben würden. «Beim Lobbyieren im Parlament gingen wir auf die Fraktionsleader der Parteien im Nationalrat zu und trugen unsere Anliegen bzw. Anträge nach Parteipräferenzen vor», erläuterte AbuTalib. «Teilweise gingen wir mit denselben Anliegen zu den Fraktionsspitzen, allerdings mit unterschiedlichen Argumenten. So bedeutet Nachhaltigkeit für die Grünen Umweltschutz, für die SP Arbeitsplatzsicherung, für die FDP und GLP neue Geschäftsfelder und für die SVP ganz klar Heimatschutz.» Dieser Ansatz erwies sich als wegweisend: «Wenn ein Anliegen unumstritten ist, wird es in der Regel in der Kommission durchgewunken», bemerkte Abu-Talib. «Deshalb war die erstberatende Kommission für uns die zentrale Einstiegspforte.» Nach der Schlussabstimmung konnte die AföB eine positive Bilanz ziehen: 63 Prozent der Anliegen konnten in den Gesetzgebungsprozess eingebracht werden, wovon 73 Prozent erfolgreich aufgenommen wurden. Darüber hinaus waren die Anliegen des Interessenverbands zwanzigmal Gegenstand von Mehrheitsanträgen, siebenmal von Minderheitsanträgen und viermal von Einzelanträgen. 

Submissionsmanagement aus Investorensicht 

Der dritte Input zum Hauptthemenblock der Veranstaltung kam von Marcel Andreas Peter, Abteilungsleiter Bauprojektmanagement am Universitätsspital Zürich (USZ). Der Architekt und Immobilienökonom, der sich per Video zuschaltete, zeichnet bei seinem Arbeitgeber für die Bereiche Konzeption, Planung, Errichtung und Inbetriebnahme von Bauprojekten verantwortlich. Nach dem HUG in Genf und dem Insel-Spital in Bern ist das USZ mit 43 Kliniken und Instituten der drittgrösste Spitalkomplex der Schweiz. Im Jahr verzeichnet es rund 700 000 ambulante Behandlungsbesuche. Es versorgt zudem rund 40 000 stationäre Patienten und beschäftigt zirka 10 000 Angestellte. Im Geschäftsjahr 2019/2020 erzielte das USZ einen Umsatz in Höhe von 1,5 Milliarden Franken. Die Nettogeschossfläche der Gebäudeinfrastruktur einschliesslich der Aussenliegenschaften beträgt 373 000 m2 . Das Spital verfügt insgesamt über 94 Trakte und 21 000 Räume. 

Derzeit betreuen die vier Ausführungsabteilungen (Bauprojektmanagement, Gebäudetechnik, Medizintechnik und Instandhaltung) mehr als 100 aktive Bauprojekte. Für eine Vielzahl von Planerleistungen hat das USZ Rahmenvereinbarungen abgeschlossen. Als Anstalt des öffentlichen Rechts ist das USZ sowohl beim Bestands- wie beim Neubau an das öffentliche Vergaberecht gebunden. In der Praxis der Submissionsplanung kommen sowohl die Einzelvergabe als auch die Vergabe an Generalplanergemeinschaften (GPG), Totalunternehmen (TU) und Generalunternehmungen (GU) zum Zuge, wobei die beiden letzteren im Submissionsgeschäft der USZ zuletzt an Bedeutung verloren hätten, so Peter. 

Das Vergabegeschäft sei eine sehr aufwändige Arbeit, fuhr der Architekt fort. Doch mache sich der Aufwand letztlich bezahlt. Das USZ verlasse sich bei den Angeboten nicht nur auf den Preis, sondern auch auf die Qualität, hielt der Submissionsexperte fest. Zum Schluss seiner Intervention ging Peter auf die aktuell volatile Marksituation ein. Insbesondere mit Material- und Lieferschwierigkeiten sowie mit den hohen Rohstoffpreisen habe man gegenwärtig zu kämpfen. Noch hielten sich die dadurch bedingten Bauverzögerungen im Rahmen, doch manche Anbieter verzichteten inzwischen sogar auf eine Angebotsabgabe bei offenen Ausschreibungen, weil sie nicht wüssten, ob sie das Material zum angebotenen Preis auch wirklich beschaffen könnten. 

Integraler Ansatz im Bauprozess 

Die Plenarversammlung eröffnet hatte am Vormittag Veranstaltungsgastgeber Mathias Prüssing mit einer Begrüssungsrede ans Plenum. Er ist CEO von BKW Building Solutions und Mitglied der erweiterten Konzernleitung der BKW AG. Das Energie- und Infrastrukturunternehmen betreut ein 22 000 km grosses Verteilnetz und beschäftigt insgesamt rund 10 500 Mitarbeitende. Mit den drei Geschäftsfeldern Energie, Netz und Dienstleistungen fährt der Konzern eine «Dreisäulenstrategie». «Wir haben ein eindrückliches Dienstleistungsportfolio rund um Engineering, Infrastruktur und Gebäudetechnik aufgebaut. Das macht uns zu einem Komplettanbieter im Energiebereich», so Prüssing. Die Vision der BKW lautet: «Wir gestalten Lebensräume mit Zukunft.» Kernelement dieser Vision bildet die Nachhaltigkeit: «Heute kann niemand mehr das Thema beiseitelassen», betonte Prüssing. Das Engagement für Nachhaltigkeit findet mit dem kürzlich vollzogenen Beitritt des Unternehmens zur Global Compact-Initiative der Vereinten Nationen ihren Ausdruck. Ausserdem baut die BKW nach eigenen Angaben die Erneuerbaren massiv aus. Dazu gehören Photovoltaik, Wärmepumpen, Wärmespeicherlösungen und E-Mobilität. Der Energieversorger will an vorderster Front bleiben und die Verbräuche unter anderem mit dem gezielten Einsatz von Automationslösungen optimieren. 

Schliesslich kam Prüssing auf die Abläufe und Prozesse in der Gebäudetechniksparte zu sprechen. Was das Planen, Bauen, Betreiben und Unterhalten von Gebäuden betreffe, löse sich das tradierte Bauprozessschema immer mehr auf, und zwar zugunsten eines integralen Ansatzes: Die Prozesse würden immer einfacher und die Schnittstellen reduziert. «Nachdem man jahrzehntelang immer gleich vorging, befinden wir uns jetzt gewissermassen in einer neuen industriellen Revolution», so Prüssing. «Die Abläufe der Methodenkompetenz bei Building Information Modelling werden sehr durchgängig und effizient.» Hier biete sich ein grosses Feld an Möglichkeiten, wo man einerseits unternehmerisch sehr erfolgreich tätig sein und andererseits einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten könne. 

Kooperationen und Ausblick 

Bevor KGTV-Präsidentin Franziska Ryser den offiziellen Teil der Plenarversammlung mit einem Dank an den Gastgeber und die Referenten schloss, legte sie noch einmal die wichtigsten Schlussfolgerungen dar, berichtete über die zuletzt aufgegleisten Gespräche mit potenziellen Kooperationspartnern der KGTV und machte einen thematischen Ausblick auf die Generalversammlung vom kommenden Frühjahr. «Wir haben gehört, dass die gesetzlichen Grundlagen geschaffen wurden. Jetzt geht es vor allem darum, dass wir die Vergabekultur ändern bzw. entsprechend dem Geist des neuen Gesetzes anpassen. Dies muss nicht nur auf Bundesebene geschehen, sondern vor allem in den Kantonen. Der Weg bis dahin ist noch weit», sagte sie. In Bezug auf die Kooperationen fasste Ryser die Ergebnisse der drei Gespräche zusammen, welche sie gemeinsam mit vier weiteren Vorstandsmitgliedern zwischen dem 27. September und dem 25. Oktober geführt hat. Dabei handelt es sich um die Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz AEE Suisse, den Wirtschaftsverband Swisscleantech und den Interessenverband BauenSchweiz. Die Gespräche seien sehr fruchtbar gewesen und hätten grosse Interessenkonvergenzen aufgezeigt, welche Optionen für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit bei branchenübergreifenden Themen eröffneten. 

Schliesslich wies die Präsidentin auf die Generalversammlung vom 22. April 2022 hin, die zu einem Highlight in der KGTV-Veranstaltungshistorie avancieren dürfte. Eingeladen sind nämlich die Direktorin des Bundesamts für Umwelt, Katrin Schneeberger, und der Direktor des Bundesamts für Energie, Benoît Revaz, der seine Teilnahme bereits zugesichert hat. Das Zusammentreffen dieser beiden Schlüsselämter der Bundesverwaltung im Kontext des Klimawandels dürfte Anlass zu anregenden und lösungsorientierten Diskussionen geben, stellte Ryser in Aussicht. 

Text: Antonio Suárez