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KGTV Herbstplenarversammlung 2023

Am 14. November 2023 trafen sich die Mitglieder der Konferenz der Gebäudetechnikverbände KGTV und weitere interessierte Kreise zur jährlichen Herbstplenarversammlung. Der Anlass fokussierte sich dieses Jahr auf die beiden Themen Kreislaufwirtschaft und Umsetzung des Klima- und Innovationsgesetzes KlG. 

Auch dieses Jahr fand die Herbstplenarversammlung der KGTV im Bundeshaus statt. KGTV-Präsidentin Franziska Ryser wies in ihrer Begrüssung auf die Vorteile der Kreislaufwirtschaft für das gesamte Wirtschaftssystem der Schweiz hin. Gerade aufgrund der Ressourcenarmut der Schweiz sei es eher überraschend, dass die Kreislaufwirtschaft hierzulande erst so spät ein Thema geworden sei. Für die Baubranche und die Gebäudetechnik biete die Schliessung von Stoffkreisläufen enorme wirtschaftliche Chancen. 

Green Buildung 

Diesen Faden nahm auch der erste Referent, Bernhard Lanzendörfer, Präsident von Green Building Schweiz und Head of Key Account Management von Saint-Gobain Schweiz, auf. Er legte seinen Schwerpunkt auf den Nutzen sogenannter «Green Buildings», Ersatzneubauten und Sanierungen von Bestandesbauten, die möglichst hohen Komfort bei geringem Energie- und Ressourcenverbraucht bieten sollen und trotz geringem Schadstoffausstoss den wirtschaftlichen Betrieb der Gebäude ermöglichten. Die Idee der Green Buildings entstand als Reaktion auf die Finanzkrise 2008, als die Baubranche befürchtete, in den Sog der wirtschaftlichen Verwerfungen zu geraten. 

2013 konnte erste Projekte umgesetzt werden. Die Bemühungen lösten aber auch Gegenreaktionen aus: Mittels einer Petition aus Architektenkreisen sollten Ersatzneubauten unterbunden und nur noch Bestandessanierungen ermöglicht werden. Grund für diese Bestrebungen waren vor allem Bedenken hinsichtlich grauer Energie. Dem gegenüber gab Lanzendörfer zu bedenken, dass bei Ersatzneubauten auf dem Green Building-Prinzip möglichst viele Materialien wieder genutzt würden. Ausserdem läge der Fokus vor allem auf der Verdichtung. So sollte bei einem Ersatzneubau die Anzahl Wohnungen mindestens verdoppelt werden. Hinsichtlich energetischer Massnahmen seien Sanierungen oftmals ähnlich gut wie Ersatzneubauten nach neuesten Standards, andere Aspekte wie Bestimmungen zu Brandschutz und Erdbebensicherheit stellen aber grosser Herausforderungen dar. Auf der anderen Seite müssen aber dafür soziokulturelle Aspekte wie die Bezahlbarkeit und der Verbleib von Mieterinnen und Mietern berücksichtigt werden. 

Auch der Kreislaufwirtschaft müsse eine hohe Bedeutung beigemessen werden, da die graue Energie rund 50 Prozent des Energieverbrauchs über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes ausmachen würde. So werde nach Lanzendörfer immer wichtiger, dass Stoffkreisläufe geschlossen werden. Dabei zeige sich, dass Sekundärrohstoffe heute teilweise fast die Qualität von Primärrohstoffen erreichen können. Beispielsweise lasse sich Glaswolle für die Dämmung fast endlos recyclieren, da sie zu 80% aus Altglas besteht. Auch beim Fassadenbau lassen sich grosse Fortschritte verzeichnen, so dass das grösste Potenzial für Energieeinsparungen heute in der Gebäudehülle liegen. Lanzendörfer empfiehlt deshalb, die Gebäudehülle, optimalerweise in Verbindung mit dem Einbau einer Photovoltaikanlage, als erstes Sanierungsprojekt ins Auge gefasst wird. Für ihn ist wichtig: Die energetische Modernisierung des Gebäudeparks muss Fahrt aufnehmen. Die Erneuerungsrate ist immer noch zu tief, als dass die energie- und umweltpolitischen Ziele der Schweiz erreicht werden könnten. 

Regulierungstsunami 

Die zweite Referentin Barbara Spörri, seit 13 Jahren bei Siemens, beschäftigt sich intensiv mit den Themen Green Deal und der Regulierung im Bereich Ecodesign auf Stufe EU. Im Rahmen der aktuellen Klimadiskussionen geniesse das Thema nachhaltiges Produktdesign grosse Aufmerksamkeit, was auch die EU-Regulatoren auf den Plan gerufen habe. Im Rahmen des Green Deals und der damit verbundenen Problematik des Green Washings sollen neue Transparenzregeln für Unternehmen geschaffen werden. Die EU will ab 2028 im Rahmen des Circular Economy Action Plans (CEAP) für alle Unternehmen, die im EU-Raum arbeiten, entsprechende Regeln erlassen. Dabei müsse laut Spörri von einem regelrechten Regulierungstsunami gesprochen werden: Neben dem Greenwashing sind u.a. Haltbarkeit, Wartung, Mindestrecyclinggehalt, Zuverlässigkeit, Energie- und Ressourceneffizienz Thema der neuen Regulierung. Alle Rohstoffe sollen rückverfolgbar sein. Um die Umsetzbarkeit zu gewährleisten, werde im Augenblick über eine Abstufung der Transparenzregeln diskutiert. 

Spörri zeigte in der Folge, welche Massnahmen Siemens bereits heute treffe: Mittels der sogenannten DEGREE-Ziele ermittelt das Unternehmen den Fussabdruck eines Produkts in 17 verschiedenen Gebieten. Bei Bauprodukten habe sich so z.B. zeigen lassen, dass der grösste Hebel zur Optimierung im Einsatz von Recyclingprodukten und der Schliessung von Stoffkreisläufen liege. Dabei sei aber auch zu beachten, dass bei hochqualitativem Recyclingmaterial mit denselben Eigenschaften wie dem Primärmaterial oftmals ein Preisaufschlag aufgrund der komplexen Recyclingprozesse (beispielsweise beim Chem-Recycling) verursacht wird. Das wirkt sich am Ende auch auf die Preisgestaltung der Produkte aus. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, dass über Standardisierungen und Zertifizierungen im gesamten Prozess die Vergleichbarkeit der Produkte sichergestellt würde. Hier sieht Spörri gerade mit Blick auf die Politik noch grossen Handlungsbedarf: Zwar würden grosse Bemühungen zur Regulierungen betrieben, einheitliche Berechnungsgrundlagen fehlen aber, so dass die Informationen seitens Lieferantinnen und Lieferanten oftmals mangelhaft seien. 

Vernetzung der Bauwirtschaft 

Der Ressourcenverbrauch tritt im Moment immer noch hinter die Klimadiskussion zurück, wird aber in den kommenden Jahren deutlich an Bedeutung gewinnen. Davon ist die dritte Referentin Marloes Fischer, CEO des 2018 gegründeten Circular Hub, überzeugt. Rein technisch gesehen sei die Tragfähigkeit des Planeten längst überschritten worden. Der jährliche Materialverbrauch in der Schweiz beträgt pro Person 19 Tonnen pro Jahr, was auf die Weltbevölkerung hochgerechnet der Tragfähigkeit von 2,75 Planeten entspräche. Ein wichtiger Ansatz, um dieses Problem zu entschärfen, sei die Zirkularität: Ressourcen sollen so lange wie möglich im Wirtschaftssystem gehalten werden und bei der Produktentwicklung müsse allen drei Dimensionen von Nachhaltigkeit Aufmerksamkeit geschenkt werden. Um die Transformation eines linearen zu einem zirkularen Wirtschaftssystem zu unterstützen, setzt sich Marloes Fischer für eine Vernetzung der gesamten Bauwirtschaft ein. Die Schwerpunkte lägen dabei auf der Verwendung von Sekundärrohstoffen, der Verlängerung der Lebensdauer und im Bereich des intelligenten Designs. 80 Prozent des Fussabdrucks eines Produktes entstünden schon bei der Produktentwicklung. Und auch bei der Festlegung des Geschäftsmodells solle zwingend schon mitgedacht werden, wie verhindert werden kann, dass ein Produkt aus dem Kreislauf falle. Für Fischer sind dabei transparente Daten für die Rückverfolgung von Produkten unverzichtbar. Dabei komme auch den Verbänden eine wichtige Rolle zu: Sie seien bei der Entwicklung einer Strategie für Zirkularität zentral und können bei der Erarbeitung einer Roadmap wichtige Inputs liefern. So habe sich z.B. gezeigt, dass der Absenkpfad im Kanton Zürich nicht einzuhalten ist, wenn einfach Beton durch Holz ersetzt werde. Viel eher könne jedes Gewerk einen Beitrag zur Erreichung der Ziele leisten. Dabei müsse insbesondere eine objektspezifische Diskussion stattfinden, ohne die das optimale Vorgehen nicht gefunden werden könne. 

In der anschliessenden Diskussionsrunde stellten sich die beiden Referentinnen und der Referent den Fragen der KGTV-Mitglieder. Grundsätzlich waren sich dabei alle einig, dass in der Schweiz hinsichtlich Kreislaufwirtschaft eine bessere Lösung als die in der EU angestrebte Top Down-Variante denkbar wäre, die Unternehmen dazu aber aktiv werden und Investitionen tätigen müssen. Dabei sei die Innovationskraft von KMU nicht zu unterschätzen: Zusammen mit den grossen Playern, den Universitäten und den ETHs bestehe grosses Potenzial. 

Klima- und Innovationsgesetz 

Der Nachmittag widmete sich ganz der Umsetzung des Klima- und Innovationsgesetzes KlG, das im Frühjahr an der Urne mit 60% Ja-Stimmen angenommen wurde. Das KlG enthält neben verschiedenen Förderprogrammen auch den Fahrplan für die Klimapolitik, an der sich auch das neue CO2-Gesetz, das gerade im Parlament behandelt wird, orientiert. Damit wird das KlG auch ein Auftrag des Bundes an sich selbst, regulatorisch weiterhin tätig zu bleiben. Raphael Bucher, Sektionschef Klimapolitik des Bundesamts für Umwelt erläuterte die Pläne und das weitere Vorgehen des Bundes. Vor kurzem wurde das Ämterkonsultationsverfahren zur Verordnung abgeschlossen. Die öffentliche Vernehmlassung ist für die zweite Hälfte Januar 2024 geplant. Gemäss Bucher wird erwartet, dass sich die Kantone später am Bund als Vorbild orientieren. Grundsätzlich sei vorgesehen, das Netto-NullZiel bis 2050 mit der Verminderung von Treibhausgasen oder mit dem Erzielen von Negativemissionen zu erreichen. Vorrang habe dabei die Vermeidung fossiler Primärenergieträger; Methoden wie das Carbon Capture and Storage sollen erst in einem zweiten Schritt zum Einsatz kommen. Neben grossen Emittenten sollen auch KMU Zugang zu den im KlG festgelegten Fördermittel für innovative Technologien erhalten. Dabei komme auch den Verbänden eine wichtige Rolle zu, da sie Musterfahrpläne für die Reduktion des Energieoder Wärmeverbrauchs ihrer Branchen entwickeln können. Die Unternehmen erhalten aber nur dann Fördergelder, wenn sie sich für bestimmte Massnahmen entscheiden und diese auch umsetzen. Der Bund soll insbesondere teure und komplexen Massnahmen, die tief in die Prozesse der Unternehmen eingreifen, unterstützen. Er soll den Unternehmen dabei auch beratend zur Seite stehen, wobei eine Beratung nicht kostenlos erfolgt. 

Für den Gebäudepark sieht das KlG eine Senkung der CO2-Emissionen um 82% bis 2040 und um 100% bis 2050 vor. Dazu wird ein Impulsprogramm im Umfang von 2 Mrd. Franken über 10 Jahre gestartet, das dem Ersatz von fossilen Heizungen und die Steigerung der Energieeffizienz dient. Momentan seien jährlich 60-80 Mio. Franken für den Ersatz fossiler Heizungen, 80 – 120 Mio. Franken für den Ersatz dezentraler Heizungen und 25 -35 Mio. Franken für die Gesamtsanierung von Gebäudehüllen vorgesehen. Weiter seien 15 Mio. Franken für Impulsberatungen zum Thema «erneuerbar heizen» geplant. 

In der anschliessenden von Alexandra Märki, FWS, moderierten Diskussionsrunde stellte sich Raphael Bucher den Fragen der KGTV-Mitgliedern. Sie sehen insbesondere die Notwendigkeit der stärkeren wissenschaftlichen Unterstützung unter der Berücksichtigung der Fachhochschulen und sorgen sich um eine ausreichende Koordination zwischen dem Gebäudeprogramm und dem Impulsprogramm. Für Bucher ist klar, dass das KlG nicht den Anspruch hatte, etwas an der Hochschulförderung zu verändern. Das Impulsprogramm ergänze das Gebäudeprogramm und werde dieses nicht ersetzen.